Sonntag, 13. November 2016

Ein Überblick

Der November neigt sich dem Ende, der schulfreie Monat Dezember rückt näher, meine anstehende Reiseplanung kann so langsam realisiert werden und somit halte ich diesen Zeitpunkt für passend, meinen bisherigen Aufenthalt einmal zu reflektieren. Da gerade diese Monate, im ersten Viertel meiner Zeit, die mit den ersten Konfrontationen und aufregendsten und befremdlichsten Beobachtungen, auch gleichzeitig die interessantesten sind, möchte ich in meinen verschieden Lebensbereichen, Einblicke und Szenarien vereinzelnd schildern und so zu versuchen, diesen in meinen persönlichen Lernprozess und meine eigene Entwicklung, die zurzeit täglich voranschreitet, zu archivieren.
Vorab eine kurze Zwischenstandsmeldung zum Wetter.
Mit dem November enden vereinzelnd bewölkte und verregnete Tage in Tansania - hierfür ist der "Kaskasi" Monsun verantwortlicht, der von Mitte/Ende September bis  Anfang November Schauer und Gewitter über das Land ziehen lässt. Von März bis Ende Mai sollen es dann durch den gleichen Monsun, aus dem Südosten Niederschläge und Unwetter geben, die heftiger ausathen werden. Durch den immer gleichen steilen Einfallswinkel der Sonne kommen ja am Äquator keine Jahreszeiten auf, jedeglich zwei Regenzeiten gibt es, die sich in den Nord/Nordöstlichen Gebirgsgebieten, wie Kirua Vunjo eines ist und an den Küstenregionen heftiger zuspielen.
Da ich in Deutschland in Oldenburg hiesig bin, bin ich bestens mit Regenwetter und einem grauen Wolkenteppich vertraut und so nimmt dieser vorübergehende Wetterumschwung keinen großen Einfluss auf mich.
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In den vergangenen Wochen habe ich, nachdem meine Umgebung und meine Aufenthaltsorte mir immer vertrauter geworden sind, versucht meinen Alltag zu gestalten und eine gewisse Routine zu entwickeln.
Mein Tag erstreckt sich auf
• Mein Zusammenleben mit meiner Gastmutter Christina, meinem Gastbruder Eaven  (der jetzt kürzlich nach Dar es Salaam gezogen ist) und meiner kleinen Gastschwester Gresha
• Meiner Arbeitsstelle, der Kilimani Sec. School, den Lehrerkollegen und den Schülern
• Dem Marktplatz in Kirua Vunjo "Madukanui" (15min Fußweg von meinem zu Hause) und seinen Shops und Leuten
• Dem Shop von Christina und Deo
• und den am Wochenende anfallenden Ausflügen nach Moshi Town

Nyumbani - Mein zu Hause -
Ich lebe jetzt seit ungefähr einem Monat nur noch mit Christina und Gresha, in dem ein bisschen abseits gelegen grünem Wellblechdachhaus, im Mrumeni District , in Kirua Vunjo. Mein Gastbruder Eaven, der in meiner Einfindungsphase mein treuer Begleiter war und mich mit der bergigen Landschaft vertraut gemacht hat, mich den im Umkreis lebenden Verwandten und Freunden vorgestellt hat und kleine Sprachbarrien, zwischen meiner Gastmutter Christina und mir aufgeklärt hat, ist nun nach Dar es Salaam, das Wirtschaftszentrum Tansanians gezogen, um dort einer Festeinstellung, in einem Handwerksbetrieb nachzugehen.
Das meine Gastmama nun die Fürsorge, von ihrer Enkelin Gresha alleine übernimmt, ist für sie kein Problem - schließlich kommt sie schon seit der Geburt meiner Gastschwester dafür auf, jedoch möchte ich dies einmal als Aufhänger, für einen kurzen Denkanstoß, der Rolle der Frauen in (Afrika)/ Tansania nutzen, die wie es mir auch im Dorf eklatant auffällt, oft  das Maximum ihrer Arbeitsbelastung ausschöpfen:
Kürzlich las ich in einem Magazin, der Bpb, welches im Kern, globale Entwicklungsdefizite, Methoden von Hilfsorganisationen und spezifische Problemfaktoren einzelner dritte Weltländer erörtert und mit Statistiken verifiziert, einen Bericht, über die "Rolle der Frau in Afrika", der mir sehr authentisch schien.
Hier heißt es:"Sie säen, jäten, ernten. Sie gebären die Kinder und ziehen Sie groß. Sie kochen und waschen. Sie pflegen die Alten und Aids-Kranken. Und nebenbei flicken sie das undichte Hüttendach und verdienen durch Perlenstickereien das Schulgeld für die Kinder. Oft müssen die Frauen, die Rolle der Alleinernährer ihrer Großfamilien übernehmen [...] und da inzwischen die Mädchen und Frauen fast alles machen, wird die traditionelle Subsitenzwirtschaft manchmal auch 》weibliche Landwirtschaft《 genannt."
Ein Statement, zur Rolle der Frau, dass sich auch hier ziemlich identisch wiederspiegelt. Nicht, dass ich damit die Rolle, des afrikanischen Mannes als arbeitsverweigernd, oder resigniert stigmatisieren möchte, doch sind es die Frauen, die die Feldarbeit, für die Tilgung des eigenen Bedarfes erledigen und darüber hinaus auch noch auf dem lokalen Markt, mit dem Verkauf der Ernte Geld dazuverdienen. Natürlich muss man hier berücksichtigen, dass auf dem Land noch eine festgefahrene Rollenverteilung zwischen Mann und Frau herrscht und innerhalb der Familien patriarchalische Strukturen herrschen. Hauptgrund hierfür ist die Bewahrung traditioneller Sitten, die von den ethnischen Gruppen, wie der  "Chagga" Stamm und den "Masai" vorgelebt werden und hohe Anerkennung und Stellenwert genießen. So haben sich mir auch schon Leute vorgestellt und auch direkt anhängt, welchem Stamm sie angehörig sind. Und auch die Erhaltung der traditionellen "Kichagga Sprache" wird sehr geachtet. Ein städteübergreifender Männerberuf ist "Pikki Fahrer" (Mottoradtaxi), den gerade junge Männer, die nach Form 4 Secondary Level abgegangen sind und keine große Berufsperspektive haben ausüben.
Wenn man dann in Moshi Town ist, bekommt aber nicht mehr viel davon mit - die Frauen scheinen emanzipierter zu sein - und die Arbeitsverteilung ist gemischter. 
Zu Hause jedenfalls ist es sehr ruhig, da meine Gastmutter durch den Shop viel eingespannt ist und sich überwiegend woanders aufhält, verbringe ich am Abend und gerade am Wochende auch sehr viel Zeit mit meiner Gastschwester und esse meistens alleine mit ihr. Durch die Kommunikation mit Gresha lerne ich schneller Swahilli und wenn sie mir mal wieder eines ihrer in der Schule gelernten Lieder präsentiert, oder wir mit meinem Laptop einen "Katuni" auf Swahilli  (Zeichentrickfilm) schauen, dann profitiere ich davon.
Am Morgen sind oft Freunde aus der Nachbarschaft und helfen im Haushalt. Es wird viel gefegt, geschrubbt, abgewaschen, Holz zerhackt, Wäsche ausgewrungen und ich werde vom Lachen und Spielen vom Nachbarschaftskinder aufgeweckt.

Shule - Kilimani Sec. School -
Mit dem November enden auch an den Secondary's die "Final exams" für die beiden Abgangsklassen, Form 4 - A u. B. Die weiterführende Schule ist dann das "advanced Level" Form 5 u. 6, welches man abschließen muss, um an die Universität gehen zu können. Nach den Vorraussagen der Lehrer, des Kilimanikollegiums, werden die Ergebnisse dieses Jahr aber so prekär sein, dass von den fast 90 Abgangsschülern, maximal zehn den Sprung schaffen werden. Ein Resultat am Jahresende, dass nicht gerade motivierend ist denke ich mir, aber irgendwie stellt das auch kein Problem da und wirkt sich in keinster Hinsicht auf die Gegebenheiten aus.
In den vergangenen Jahren solle es nicht viel besser gewesen sein und auf die Frage, woran das denn liege,  wurde mir mit der Antwort gegeben, dass die Schüler nicht genug lernen würden. Sicherlich lernen sie mit guten Grund nicht genug, da viele der Schüler zu Hause fest eingespannt sind und Arbeiten zu erledigen haben,  nachdem manche von ihnen den einstündigen Heimweg durch die Berge bewältigt haben. Ein weiterer Punkt ist auch ganz einfach, dass die Schulen nicht inklusive sind und lernschwache Schüler keine Förderung kriegen, oder berücksichtigt werden und gerade solche Probleme bei Schulen auf den ländlichen Gebieten durch mangelnde Unterstützung und Grundausstattung nicht behandelt werden können.
Ob der autoritäre und auf Gehorsam getrimmte Umgang mit den Schülern da so hilfreich ist, erscheint mir manchmal suspekt.
An einem vergangenen Freitag versammelten sich so die Schüler für die angesetzte Sporteinheit, auf dem Rasen zusammen mit den Lehrern um salutieren zu üben. Sichtlich verwundert stand ich daneben und habe mir die militärischen Grüße angehört.
Die Schüler der Schule führen jeden Auftrag gehorsam und unkommentiert aus, so wird den Lehrern Wasser gebracht, der Tisch abgewischt, Stühle hinterher getragen und in der 5min Pause kurz zum nächsten Shop gelaufen, um Voujcher (Handyguthaben) für einen Lehrer zu kaufen.
Aufgrund dessen, liegt mir in einem Umgang mit den Schülern und in meinen Unterrichtsstunden viel daran, so gut wie es geht, einen deutlich anderen Umgang und Unterrichtsart aufzuzeigen. Zugegeben ist es nicht einfach mit den Mitteln die man hat, abwechslungsreichen Unterricht zu gestalten. Aufgabenhefte liegen oft nur in einer Version für den Lehrer vor und so muss man gerade in Fächern, wie Englisch viel Texte an die Tafel transportieren, wobei wiederum auch viel Zeit draufgeht. Ich versuche sonst meine Stunden immerwieder durch interaktive Methoden zu gestalten und die Kinder dazuzubringen ihr Wissen auch anzuwenden und nicht, nicht über das was der Lehrer vermittelt weiter zu denken. In der Debateunit habe ich dafür eine Einheit zu "Critical View" gemacht. 
Natürlich gibt es auch Situationen, in denen man auch mal mit der Hand auf den Tisch hauen muss, oder mit der Verlängerung der Stunde drohen muss, um die Klasse ruhig zu halten. Wenn dann das vierte Mal ein Stuhl umfällt und der Schüler hinten links seinen Sitznachbarn immernoch ärgert, kann so eine  Stunde auch mal nur darin bestehen, durch andere Sitzordnungen etc. eine Lernatmosphere zu schaffen, wie es in Deutschland nicht anders ist.
Wenn vereinzelnde Schüler nach den Stunden dann in der Pause nochmal herkommen und das Gelernte wiederholen, oder einen Test wieder habe möchten, dann gibt einem das auch ein motivierendes und zufriedenstellendes Gefühl. Für meine Lehrlaufphasen in der Schule habe ich auch eine gute Beschäftigung gefunden. Mr Athuman - Lehrer für Commerce und Accounting - ist sehr interessiert an der deutschen Sprache und hat sogar Grundkenntnisse. In der vergangenen Zeit saßen wir Beide oft in seinem Büro und haben mit meinem Deutsch-Swahilli Buch uns gegenseitig in den Fremdsprachen weitergeholfen. Er hilft mir, meine Suahelifähigkeiten zu verbessern und im Gegenzug beantworte ich ihm Fragen zur deutschen Sprache und bringe im Phrasen bei.
Die Arbeitsatmosphäre unter den Kollegen ist ansonsten wirklich sehr entspannt. Jeder hat Zeit für eine Plauderei, es wird Musik gehört, bei Tee und Mandazi draußen gesessen und gerne über Politik und kulturelle Unterschiede geredet und viel gelacht. So ein richtiger Arbeitsdruck herrscht nicht und wenn mal ein Kollege abwesend ist, dann hat der nun mal keine Zeit heute, das wird dann aber auch nicht weiter hinterfragt. Ab dem 02.Dezember beginnen die landesweiten Schulferien in Tansania, die Schule wir dann Anfang Januar wieder anfangen.

Mandukani - Marktplatz "Kisomachi"
Dienstags und Freitags findet der Markt statt. Die Kleinabuern aus Kirua Vunjo verkaufen Obst und Gemüse, andere handeln mit Kosmetikartikeln, Fisch, Latschen und selbsthergesstelten Instrumenten, wie Sichel, Forke und Spaten zur Kultivierung des Ackers.
Abgesehen von diesen Tagen ist "Kisomachi" auch sowas, wie der Taxistand der Umgebung. Wenn mir nicht gerade ein Pikki Pikki im Umkreis meines zu Hauses entgegen kommt, dann muss ich den 15min Fußweg zum Markt auf mich nehmen und fahre von dort aus den Berg hinunter. Es befindet sich hier auch die Boardingschool "Kisomachi" - eine Internatsschule in der Trägerschaft, der deutsch-katholischen Kirche. Familien, die finanziell besser darstehen, schicken ihre Kinder auf solche Internatsschulen, wo ihnen eine besser Schulausbildung für die Kinder garantiert wird. Oft treffe ich mich auch unter der Woche sowie am Wochenende auf dem an der Kirche, welche wirklich imposant ist, angebundenen Fußballplatz und spiele zusammen mit Lehren und Schülern der Kilimani School. Der Marktplatz ist ansonsten dicht besiedelt von verschiedenen Shops , von den üblichen Kneipen, bis zu kleinen Läden, die den alltäglichen Bedarf der Dorfgemeinschaft anbieten.

Dukani - Shop von Deo und Christina
Ein Barber Shop und ein Schlachterhäuschen schmücken nun den Hof und Wegrand des Shops. "Sein Business erweitern" - so begründete Deo sein Vorhaben. Friseur sein benötigt keine großen Qualifikationen oder Equipment, ein Rasierapparat und drei bis vier Aufsätze reichen aus, um den üblichen Kurzhaarschnitt bei Mädchen und Jungen zu schneiden, da es ihnen durch die Schule sowieso untersagt ist lange Haare zu tragen, oder manche der männlichen und weiblichen Dorfangehörigen zufriedenenzustellen. Die Intention der Erbauung, des Schlachterhauses, ist die Vermietung des kleinen Shops, da die eigentliche Betreibung zu kostspielig wäre, da so auch Vieh gekauft werden müsste.
Sobald solche Baupläne kommuniziert werden, werden automatisch auch Freunde involviert, die mithelfen und sich auf diesem Wege Geld dazuverdienen. Viele Menschen bauen ihre Häuser selber und somit gerhört der Hausbau zum handwerklichen Repeteau vieler Männer. 

Moshi Town
Am Wochenende nehme ich gerne den Weg nach Moshi auf mich und genieße ein wenig den Kontrast zum Dorfleben. 
Moshi hat ungefähr 160.000 Einwohner und ist dafür schon ziemlich multikulturell - es leben hier Christen, Muslime und ein Hindutempel steht nahe der Busstation, der der indischen Community angehört. Um die Busstation herum befinden sich viele kleine Läden und Streetfoodstände, außerdem begegnet man oft Straßenhändlern, die ihre Ware in einem Bauchladen, oder auf dem Kopf transportierten. Auf der Durchreise mit dem Bus kann man den Händlern an den Busständen so aus dem Fenster heraus Softdrinks und Snacks abkaufen. Die kleinen, eigenständigen Läden befinden sich meist Tür an Tür in einem großen Gebäude und sind schwer voneinander zu unterscheiden, da sie alle die gleichen Ladenschilder - gesponsert von 'Coca Cola' - benutzten und überhaupt sind die Gebäude in Städten wie Moshi völlig dichtplakatiert und angemalt mit Werbeemblemen von Coca Cola, oder den Internetprovidern 'Airtel', 'Tigo', 'Halotel' und so weiter. In Moshi befindet sich auch das 'Nakumatt', eine Kette von Einkaufszentren, die den westlichen Einkaufszentren sehr ähnlich sind. Ein paar Lokalitäten zum feiern gibt es auch, bisher war ich einmal mit anderen Freiwilligen im 'Pub Alberto'.

Das soweit zu dem was mich gerade umgibt und meinen Alltag gestaltet. Für den Dezember stehen am Anfang eine Reise ins Landesinnere nach Singida zu anderen Kolpingfreiwilligen an, danach werde ich ein paar Tage in Dar es Salaam, bei meinem Gastbruder verbringen und mich mit einer Freundin aus Deutschland in Arusha treffen.
Neujahr verbringe ich auf Sansibar!!
Der freie Dezember Monat kommt wirklich genau richtig, da zum Jahresende an der Schule immer weniger Arbeit für mich anfällt und meine Wochenenden auch nicht gerade vor Aktivitätenvielfalt strotzen - kann ja nicht jeden Tag was interessantes passieren - sehne ich mich langsam immer mehr danach ein bisschen Programm zu haben.


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